16. September 2014
Akademie unter Bäumen erfolgreich beendet
News
16.09.2014 Das große Potential von Kunst und Kultur für Inklusion und Teilhabe der Roma in Europa / Akademie unter Bäumen erfolgreich beendet
Rund hundert Experten, Kulturschaffende, Vertreter der Zivilgesellschaft und der Minderheit der Sinti und Roma aus ganz Europa trafen sich zur internationalen Konferenz „Akademie unter Bäumen“ im Schloss und Park Genshagen. Unter der Überschrift „Kunst tut Not: Roma in Europa“ diskutierten sie an zwei Tagen die Möglichkeit der künstlerischen und politischen Inklusion und gleichberechtigten Teilhabe von Sinti und Roma in Europa. „Wir zeigen das Potential von Kunst und Kultur auf dem Weg zu einem gleichberechtigten Miteinander“, so Christel Hartmann-Fritsch, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied, Stiftung Genshagen, über das Ziel der Veranstaltung.
Musik, Malerei und Theater spielten an beiden Tagen eine zentrale Rolle: Es wurden exklusiv Bilder der bekannten spanischen Roma-Künstlerin Lita Cabellut gezeigt und der Schauspieler Folkert Dücker las aus Rike Reinigers Theaterstück „Zigeuner-Boxer“. Für musikalische Impulse sorgten die Berliner Sinti-Swing-Band von Janko Lauenberger und ein virtuoses klassisches Musikkonzert mit den Sinti Musikern Sandro Roy an der Geige und Jérôme Weiss am Klavier.
In den Podiumsdiskussionen über „Strategien zur Bekämpfung des Antiziganismus und zur Inklusion der Roma in Europa“, „Roma, eine politische Konstruktion?“ und „Typisch ‚Zigeuner’? Mythos und Wirklichkeiten“ diskutierten internationale Experten das politisch und gesellschaftlich aktuelle Thema.
Prof. Rita Süssmuth, Bundestagspräsidentin a.D. und Vorstandsmitglied der Stiftung Genshagen betonte: „Die aktuelle Studie der Antidiskriminierungsstelle zeigt uns, dass wir bislang nur ganz wenig erreicht haben. Wir müssen Studien in Auftrag geben, die zeigen welche Erfolge es gibt. Wir brauchen Beispiele, wo die Inklusion und die gleichberechtigte Teilhabe der Roma funktionieren.“
Daniel Strauß, Geschäftsführer des Mannheimer Kulturhauses Romno-Kher, das sich intensiv an der Debatte über die anhaltenden Vorurteile gegen Roma beteiligt, wies darauf hin, dass Inklusion bereits mit der richtigen Wortwahl beginne: „In Deutschland spricht man nicht von gleichberechtigter Teilhabe, sondern von ‚Integration’, was bedeutet, dass die Minderheit sich anpassen muss. Man spricht nicht von ‚Inklusion’. Die Sinti und Roma sagen ‚Warum müssen wir uns integrieren, wir waren schon hier, da gab es dieses Land noch nicht!’ Integration im Sinne von gleichberechtigter Teilhabe, das muss das Ziel sein.“
Prof. Werner Schiffauer von der Europa-Universität Viadrina (Frankfurt/Oder) wünschte sich, dass die Diskussion positiver besetzt wird: „Wir fokussieren uns zu sehr auf die negativen Beispiele. Es gibt viele positive Beispiele auf der lokalen Ebene in Städten oder in Stadtteilen, wo das Miteinander wunderbar funktioniert. So ein Modell ist die Kunstszene. Wir schätzen uns und sind neugierig auf die Kunst der anderen.“
Viele Teilnehmer forderten die Gründung eines europäischen Roma-Institutes, um die Kultur und Geschichte der Roma besser bekannt zu machen.
Romeo Franz, Geschäftsführer der Hildegard Lagrenne Stiftung, der am Ende der intensiven zweitägigen Akademie das Fazit zog, betonte, wie wichtig es für die Sinti und Roma sei, sich zunächst aus ihrer Opferrolle zu befreien und sich „emanzipatorisch nach vorne zu kämpfen und zu zeigen, was sie alles zu leisten in der Lage sind“.
Kern der Veranstaltung aber waren die „Arbres à palabres“, Diskussionsrunden unter den Bäumen des Schlossparks. Dort präsentierten sich wegweisende internationale künstlerisch-kulturelle Projekte und stellten sich dem Diskurs.
Das internationale Publikum erhielt Einblicke in die Arbeit des Kulturfestivals „Rom 3000“ in Lille (Frankreich), die künstlerische Arbeit des Roma-Theaters Divadlo Romathan aus Košice (Slowakei) sowie in die unterschiedlichen Herangehensweisen der Museen für Roma-Kultur in Brno (Tschechien) und in Bukarest (Rumänien). Ferner wurde über ein Projekt der schwedischen Universität Södertörn berichtet, wo ein Lehrplan für die Romasprache Romani čhib aufgebaut wird. Schließlich wurde der philharmonische Verein der Sinti und Roma in Frankfurt am Main vorgestellt und es wurde über die Ausstellung „Houses as Silver as Tents“ der Nationalen Kunstgalerie Zachęta in Warschau (Polen) diskutiert: Dort wurde gezeigt wie gängige Klischees und Vorurteile gegen Roma in den vergangenen Jahrhunderten durch die Kunst weitergetragen wurden.
Die „Akademie unter Bäumen“ wird alle zwei Jahre von der Stiftung Genshagen veranstaltet, in diesem Jahr in Kooperation mit der Hildegard Lagrenne Stiftung für Bildung, Inklusion und Teilhabe von Sinti und Roma in Deutschland, und lehnt sich an die „Dialogues en humanité“ an, die seit über zehn Jahren erfolgreich in Lyon veranstaltet werden und an vielen Orten dieser Welt Nachahmung finden. Hintergrund des diesjährigen Themenschwerpunkts der „Akademie unter Bäumen“ ist das 2015 bevorstehende Ende der Dekade der EU zur Inklusion der Roma. Ziel der beteiligten Staaten (zu denen Deutschland nicht zählt) war es, ihre Bemühungen zur Bekämpfung der Diskriminierung und Ausgrenzung von Roma zu verstärken und deren Inklusion zu unterstützen.
Mehr Informationen finden Sie unter www.stiftung-genshagen.de